Warum aktuelle Trends eine große Chance für freiberufliche Übersetzer:innen darstellen

16. Feb. 2024 Lesezeit 8 Min.
An introduction to translation collaboration
Die Lokalisierungsbranche wächst stetig, selbst angesichts von Herausforderungen wie der jüngsten COVID-19-Pandemie. In dem Maße, in dem Unternehmen mehr Inhalte über verschiedene Kanäle produzieren, steigt die Nachfrage weiter an. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Content-Explosion, wie in unserem jüngsten Bericht „Wohin gehen die Trends in der Übersetzungsbranche?“ beschrieben, demnächst abebben wird.  
 
Derzeit stehen Übersetzer:innen also vor der Frage, wie sie die Anforderungen ihrer Kunden in Bezug auf Geschwindigkeit, Qualität und Kosten erfüllen können und wie sich neue Technologien auf ihre Prozesse auswirken. Der richtige Ansatz kann diese Herausforderungen in Chancen verwandeln. Betrachten wir dafür die wichtigsten Trends der Branche.   

Generative KI und Large Language Models (LLMs)

Wissen Sie eigentlich, was das heißt? Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie mit den neuen Begriffen rund um den aktuellen KI-Boom nicht vertraut sind. Einfach ausgedrückt erstellt generative KI autonom neue Inhalte wie Originaltexte oder -bilder auf der Grundlage von Mustern, die sie mit umfangreichen Daten erlernt hat. Für uns in der Lokalisierungsbranche ist die Fähigkeit, neue Inhalte zu erstellen, das, was uns am meisten interessiert. 
 
Ein Large Language Model (kurz: LLM und auf Deutsch: Großes Sprachmodell), wie ChatGPT, ist ein fortgeschrittenes Computerprogramm, das in der Lage ist, natürliche Sprache zu verarbeiten und zu erzeugen. Es wurde mit umfangreichen Datensätzen trainiert und dient als hochentwickeltes Werkzeug für Aufgaben wie Schreiben, Übersetzen und Zusammenfassen. Dank seines umfangreichen trainierten „Wissens“ kann es verschiedene sprachbezogene Herausforderungen bewältigen.  
 
Dass linguistische KI eine bedeutende Chance für Sprachexpert:innen darstellt, ist wenig überraschend. Im Gegensatz zu den reißerischen Schlagzeilen über die Übermacht von KI liegt ihre wahre Stärke darin, die Übersetzungsarbeit zu verbessern und zu beschleunigen. 
 
Generative KI kann Sprachexpert:innen bei Aufgaben wie der Transkreation unterstützen, geschlechtsbezogene Verzerrungseffekte (Gender Bias) beseitigen und Inhalte an bestimmte Satzlängen anpassen. Eine aufregende neue Entwicklung ist unsere AI Professional-App, die LLMs in Trados Studio einbindet. Sie hilft Ihnen dabei, Ihre Arbeit zu optimieren und eine größere Bandbreite an sprachlichen Herausforderungen zu bewältigen, was letztendlich die Qualität Ihrer Übersetzungen verbessert.  
 
Zu den wichtigsten Funktionen gehören alternative Übersetzungsvorschläge auf Basis benutzerdefinierter Prompts, die Bereitstellung zusätzlicher Informationen über Ausgangs-/Zielinhalte sowie die Vermeidung von Gender Bias. Und das ist erst der Anfang. Wir aktualisieren die App – die aus dem RWS AppStore heruntergeladen werden kann – kontinuierlich, um neue Funktionen bereitzustellen und Ihnen zusätzliche Optionen und mehr Flexibilität zu bieten. 
 
Eine weitere KI-gestützte Funktion, die wir kürzlich entwickelt haben, ist „Trados Copilot – Smart Help“. Smart Help nutzt KI, um Ihre Trados-Erfahrung zu verbessern, damit Sie reibungsloser und effizienter als je zuvor arbeiten können. Die KI-gesteuerte Engine durchsucht unsere umfangreiche Online-Produktdokumentation und liefert genaue, zeitnahe und kontextbezogene Antworten auf Ihre Fragen. 
 
Man kann mit Sicherheit sagen, dass KI einen bleibenden Einfluss auf die Branche haben wird. Und wenn wir zurückblicken, passiert so etwas nicht zum ersten Mal. Trados wird seit Jahrzehnten mit KI unterstützt, wobei die maschinelle Übersetzung eine zentrale Funktion unserer Produkte darstellt. Wir trainieren jetzt unser eigenes neuronales maschinelles Übersetzungsmodell Language Weaver, um eine einfache Lösung für alle zu bieten, die die neueste sichere MT-Technologie verwenden möchten. 
 
Die anfängliche Skepsis gegenüber der maschinellen Übersetzung (MT) hat sich inzwischen gelegt. Stattdessen sind ihre Einsatzbereiche in der Branche kontinuierlich erweitert worden, ohne dass die Übersetzer:innen verdrängt wurden. Maschinelle Übersetzung spielt mittlerweile eine wichtige Rolle im Übersetzungsprozess – und das Gleiche wird auch auf Gen KI und LLMs zutreffen. Wir empfehlen daher, sich auf dem Laufenden zu halten, KI zu nutzen und diese technologischen Verbesserungen zu Ihrem Vorteil einzusetzen.  

Tschüss Übersetzer:innen – Hallo Sprachexpert:innen. 

Der transformative Einfluss der Technologie auf die Rolle der Übersetzer:innen kann gar nicht genug betont werden. Die Übersetzer:innen von heute haben sich zu vielseitigen Expert:innen entwickelt und beschränken sich nicht länger auf die Überbrückung sprachlicher Kluften und die Übersetzung von Texten. Die Mehrheit agiert nun in einer dynamischen digitalen Landschaft und arbeitet mit verschiedenen Formaten, kulturellen Feinheiten und regulatorischen Regelwerken – all das in einem Umfeld, in dem Schnelligkeit gefordert ist. 
 
Diese Entwicklung erfordert neue Fähigkeiten, den Einsatz fortschrittlicher Tools und innovative Arbeitsansätze. Paradigmenwechsel bestimmen den Alltag der Sprachexpert:innen von heute. Das bedeutet, dass sich die traditionelle Rolle der Übersetzer:innen verändert. Doch inmitten dieser Veränderungen gab es immer eine Konstante: ihre Berufsbezeichnung. Es ist an der Zeit, sich von den „Übersetzer:innen“ zu verabschieden und die Ära der „Sprachexpert:innen“ einzuläuten. 

Hyper-Lokalisierung: Relevanz ist das A und O. 

Die steigende Nachfrage nach Übersetzungen wird durch die zunehmende Konzentration auf eine personalisierte Kundenansprache bestimmt. Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, Kunden in ihrer Muttersprache anzusprechen. Dieser Fakt bestätigt sich in unserem Bericht Globales Verständnis freigeschaltet.  
 
Dieser Trend eröffnet insbesondere bilingualen Personen neue Karrieremöglichkeiten im Übersetzungsbereich. Er bedeutet jedoch auch eine Veränderung der traditionellen Rolle von „Übersetzer:innen“. Wie bereits erwähnt, sind diejenigen, die das Konzept von „Sprachexpert:innen“ verkörpern, in der Lage, sich in dieser sich entwickelnden Umgebung zu behaupten.  Diese Spezialist:innen sind nicht nur Übersetzer:innen, sondern auch kreative Linguist:innen und vertraut mit kulturellen Nuancen, um ihre Arbeit so genau wie möglich auf die Zielgruppe zuschneiden zu können.  

KI-Crowdsourcing

In der modernen Gesellschaft sind Umwelt, Soziales und Corporate Governance (ESG) von größter Bedeutung. Unternehmen bemühen sich um mehr Inklusion und ergreifen Initiativen, um ihre Produkte und Dienstleistungen so nachhaltig und inklusiv wie möglich zu gestalten. 
 
DEIA (Diversity, Equity, Inclusion, and Accessibility – Vielfalt, Gleichberechtigung, Eingliederung und Zugänglichkeit) in der Belegschaft hat für Unternehmen weiterhin hohe Priorität. Die Kommunikation mit Menschen in ihrer Muttersprache kann daher als Beitrag zu den ESG-Zielen angesehen werden. Dies entspricht unserer Diskussion über die Hyper-Lokalisierung und die zunehmende Bedeutung der personalisierten Kundenansprache. So ist beispielsweise die Nachfrage nach der Einbindung von Gebärdensprache in Videos stark gestiegen. 
 
Durch das gesteigerte DEIA-Bewusstsein streben Organisationen zunehmend danach, dass ihre Werte in jeder Sprache, die sie zur Kommunikation verwenden, berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass Übersetzungsexpert:innen auf sprachliche Aspekte in Bezug auf Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion, Behinderung, Klasse usw. achten müssen. 
 
Es stellt sich auch die Frage, wie nachhaltig Lokalisierungsaktivitäten sind, insbesondere bei der Verwendung generativer KI-Modelle. Für die Entwicklung und Ausführung dieser Modelle ist eine enorme Rechenleistung erforderlich. Daher muss jedes Unternehmen, das sie nutzt, dies bei der Bewertung seiner Umweltbilanz berücksichtigen. 
 
Was bedeutet dies für Übersetzer:innen? Wie bei der Hyper-Lokalisierung bieten sich auch hier Chancen für Übersetzer:innen, die Unternehmen dabei unterstützen können, die gewünschten DEIA-Werte bei der Lokalisierung von Inhalten zu berücksichtigen. Dies kann insbesondere bei der Beurteilung der Qualität von maschineller oder KI-basierter Übersetzung wichtig sein. Durch das Trainingsmaterial können KI-Systeme anfällig für diskriminierende oder verzerrende Inhalte sein (Bias).  

Wie Cloud-First und Fachexpert:innen Hand in Hand gehen 

Die Einführung von Cloud-First gewinnt in der Lokalisierungsbranche zunehmend an Bedeutung. Dies trifft insbesondere auf Funktionen zu, die vom Zugriff auf zentralisierte, in der Cloud gespeicherte linguistische Ressourcen und von online verwalteten Prozessen profitieren. Eine gängige Kombination umfasst cloudbasiertes Übersetzungsmanagement mit einem desktopbasierten Übersetzungs- oder Post-Editing-Tool. 
 
Dank der einfachen Bereitstellung und des problemlosen Zugriffs auf Cloud-Lösungen sowie der erheblich verbesserten Qualität von maschineller Übersetzung (MT) ist ein deutlicher Wandel hin zur cloudbasierten Überprüfung durch Fachexpert:innen zu sehen, die nicht unbedingt Übersetzungsexpert:innen sind. 
 
Dieser Trend ist in Bereichen, die Fachkenntnisse und eine präzise Terminologieverwendung erfordern, besonders deutlich zu erkennen. Unternehmen interessieren sich zunehmend für das „Fachexpert:in als Post-Editor“-Modell und verlassen sich auf MT und Nachbearbeitung durch Fachexpert:innen. Large Language Models (LLMs) beschleunigen diesen Trend noch.  
 
Es gibt keinen Grund, warum dieser Trend nicht auch von IT-affinen Freiberufler:innen genutzt werden kann. Damit dieses Modell funktioniert, gilt es, den reinen Fachexpert:innen-Workflow zu organisieren, Vorlagen zu erstellen, TMs zu organisieren, die MT/KI-Feinabstimmung zu beaufsichtigen, Prompts zu entwickeln oder Fachexpert:innen in der Entwicklung solcher Prompts zu schulen und generell das nötige Maß an Unterstützung zu bieten. Wer würde diese Aufgabe besser erfüllen als freiberufliche Übersetzer:innen mit fundiertem Fachwissen zu Übersetzungstechnologie? Freiberufler:innen können Fachexpert:innen beim Einstieg mit den richtigen Prozessen unterstützen. 
 
Allerdings stellen sie sich möglicherweise gleichzeitig die Frage, was dies für sie und ihre Karriere bedeutet. Da der Umfang des zu übersetzenden Contents immer weiter steigt, sind wir davon überzeugt, dass es für alle genug Arbeit geben wird – unabhängig davon, welches Modell Sie unterstützen.

Was bedeutet das Ecosystem für Übersetzungsexpert:innen? 

Durch die zunehmende Digitalisierung von Prozessen auf der Suche nach mehr Effizienz wurde automatisch eine ganz neue Kategorie der Ineffizienz eingeführt: die Reibung, die bei der Übergabe von einer Technologie an eine andere verursacht wird. Wenn Organisationen die Reichweite ihres Contents über mehrere Plattformen hinweg erweitern möchten, werden sie in ihrem Übersetzungsprozess unweigerlich auf Hindernisse stoßen. Aus diesem Grund konzentrieren wir uns zunehmend auf die Entwicklung von Technologie-Ecosystemen mit integrierten Elementen, über die die Arbeit reibungslos ablaufen kann.  
 
Für freiberufliche Übersetzer:innen ist es wichtig, dass die Übersetzungstechnologie, die Sie wählen, mühelos „Plug-and-Play“ mit Auftraggebern innerhalb der Lokalisierungslieferkette ermöglicht. Da Trados in der gesamten Übersetzungslieferkette eingesetzt wird, können Sie sich darauf verlassen, dass Sie Übersetzungsprojekte problemlos annehmen und bearbeiten können. Dabei werden alle möglichen Arbeitsweisen und die neuesten Dateiformate unterstützt. Darüber hinaus besitzen und betreiben wir den ersten und einzigen AppStore der Übersetzungsbranche. Damit haben Sie Zugang zu Hunderten von nützlichen Apps, mit denen Sie die Funktionalität Ihrer Studio-Umgebung erweitern und Ihre Arbeitsweise anpassen können. Die zuvor erwähnte AI Professional-App ist nur eine unter Hunderten von praktischen Apps, die Sie direkt aus Trados Studio herunterladen und verwalten können.  
 
Und zusätzlich wird die Funktionalität von Trados durch die nahtlose Integration mit Partnertechnologien und anpassbaren APIs erweitert. Ein Beispiel dafür ist Metalinguist, dessen preisgekrönte Business Management-Lösung nahtlos in Trados integriert werden kann, um Sie bei einer effizienten Skalierung zu unterstützen und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. 
 
Glücklicherweise existiert Trados nicht in einem Vakuum. Es ist das Herzstück eines Ecosystems – das heißt, es kann entsprechend Ihren Geschäftsanforderungen erweitert und mit Partnertechnologien verbunden werden. 

Wie geht es jetzt weiter? Warum die richtige Technologie entscheidend ist 

Alle Anbieter von Übersetzungstechnologie verfolgen die Trends der Branche genau, und wir sind da keine Ausnahme.  Die in diesem Blog skizzierten Trends sind von Dauer – das bedeutet, dass Sie einen Technologieanbieter brauchen, dem Sie vertrauen können, um in der sich wandelnden Branche erfolgreich zu sein. Bei Trados haben wir diese Trends stets im Auge, um unsere Produkt-Roadmaps und zukünftigen Versionen praxisnah zu gestalten und Ihren Anforderungen optimal gerecht zu werden. 
 
In unserem eBook „Neun Trends – Alte und Neue – Lokalisierung gestalten“ erfahren Sie mehr über diese Trends und darüber, wie Trados Übersetzungsexpert:innen dabei unterstützt. 
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Alina Bojescu
AUTOR

James Hallett

Marketing Manager
James Hallett ist Marketing Manager bei RWS und zuständig für das Marketing für Trados im Bereich Freiberufler:innen. Er arbeitet seit 2022 bei Trados und hat mehr als sieben Jahre Erfahrung im Marketing.
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