Vergangenheit und Gegenwart der Translation Memory-Technologie

Camille Avila 06. Feb. 2019 Lesedauer: 10 Min.

Das Konzept eines Translation Memorys gibt es bereits seit den 1970er Jahren. In den 1980er Jahren wurde es sukzessive weiterentwickelt. Aber erst in den 1990er Jahren erzielte SDL mit Translator's Workbench for Windows den entscheidenden Durchbruch. Mit einer 16-Bit-Version ab 1995 und einer 32-Bit-Version ab 1998 war dies die erste weit verbreitete TM-Engine (Vorgängerversionen richteten sich in erster Linie an kleine Zielgruppen. Sie basierten auf DOS, das zu Beginn der 1990er Jahre zunächst erfolgversprechend schien).

Wie konnten wir diesen Durchbruch erzielen? In den Anfangsjahren der maschinellen Übersetzung galt die Qualität des Outputs allgemein als unzureichend. Windows-PCs eroberten Unternehmen und den Verbrauchermarkt, sodass sowohl freiberufliche Übersetzer:innen als auch Übersetzer:innen in Unternehmen verstärkt Technologie einsetzten, um mit dem Anstieg der digitalen Inhalte Schritt zu halten. Ein echtes Plus waren dann zielgruppenspezifische Lösungen wie z. B. eine Freelance Edition.

Translation Memorys sind das Herz und Hirn von CAT-Tools (Computer Aided Translation, Übersetzungssoftware). Zunächst stieß diese Technologie jedoch auf Skepsis. Inzwischen können wir uns die Arbeit ohne Translation Memory gar nicht mehr vorstellen, denn seit den 1990er Jahren hat Trados die Entwicklung der Translation Memory-Technologie konsequent vorangetrieben. Dabei standen stets die Vorteile für unsere Kund:innen im Mittelpunkt.


Die Entwicklung des Translation Memorys

Als SDL im Jahr 2005 Trados übernahm, wurde die Translation Memory-Technologie für Trados Studio und Trados GroupShare von Grund auf neu gestaltet. Wir nutzten diese Gelegenheit, um Lücken zu schließen, die Kund:innen im Laufe der Jahre an der Workbench TM-Engine bemängelt hatten: Konkordanzsuche in der Zielsprache, Einführung der Konzepte Kontext- und Struktur-Match, eine vollständig XML-standardbasierte Engine und mehr wurden eingeführt.


Erweiterte Translation Memory-Funktionen

Unsere Translation Memorys sind besonders vielseitig, und im Laufe ihrer Entwicklung rückten produktivitätsorientierte Funktionen in den Vordergrund. Ein gutes Beispiel dafür sind die AutoSuggest-Wörterbücher.

Sie werden aus dem Inhalt Ihres Translation Memorys erstellt und bieten Ihnen direkt beim Übersetzen Formulierungen oder Fragmente per AutoSuggest an. Mit der Konkordanzsuche finden Sie im Translation Memory einzelne Wörter oder ganze Textblöcke, die nicht als Termbank- oder andere Matches angezeigt werden.

Benutzer:innen von CAT-Tools dürften bereits mit AutoSuggest-Wörterbüchern und der Konkordanzsuche vertraut sein, aber wir haben für TMs fortschrittliche Funktionen entwickelt, die Sie vielleicht noch nicht kennen.

Unsere Translation Memorys unterstützen nicht nur die segmentbasierte, sondern auch die absatzbasierte Segmentierung. Das hilft insbesondere bei der Arbeit mit asiatischen Sprachen, in denen inhaltliche Konzepte sich anders als in westlichen Sprachen entfalten. Hier ist daher die Übersetzung von Absätzen anstelle von Segmenten sinnvoller. Auch die neuronale maschinelle Übersetzung (NMT) führt zu neuem Interesse an absatzbasierter Segmentierung, weil Übersetzer:innen damit den gesamten Kontext eines Absatzes sehen, anstatt Segment für Segment zu übersetzen.

Nur bei Trados finden Sie darüber hinaus die Methode, anhand der Dokumentstruktur Kontext innerhalb des TMs bereitzustellen. Das bedeutet, dass wir Kontext-Matches nicht nur nach dem Grad der Übereinstimmung differenzieren, sondern auch anhand ihrer Position in der Dokumentstruktur (Indexplatzhalter, Überschrift, Listenelement usw.). Die Übersetzung scheinbar identischer Segmente unterscheidet sich häufig nur durch den Strukturkontext. Im Englischen werden Indexeinträge beispielsweise klein geschrieben, während dasselbe Segment in einer Überschrift Großbuchstaben erfordert.


Flexibilität

Wie flexibel unsere Translation Memorys sind, sehen Sie auch an unserem AppStore, der branchenweit einmalig ist. Trados Studio bietet Ihnen bereits eine Reihe von Funktionen zur Verwaltung und Pflege Ihrer TMs, doch mit diesen vielfältigen Apps haben Sie noch mehr Möglichkeiten. Apps wie die folgenden können beispielsweise Ausgangstext oder Zieltext sowie Ausgangs- und Zieltext in unterschiedlichen Dateiformaten darstellen:

  1. SDLXliff2Tmx
  2. TmConvert

Sie können sogar Daten in Ihrem TM anonymisieren, um den immer strengeren Datenschutzanforderungen gerecht zu werden. Laden Sie dazu einfach die App Trados Data Protection Suite aus dem AppStore herunter.


Skalierbarkeit

Bei Trados legen wir großen Wert auf die Skalierbarkeit in beide Richtungen: Unsere Translation Memorys lassen sich ebenso mühelos für Hunderte gleichzeitiger Benutzer:innen skalieren wie von einzelnen Benutzer:innen auf einem lokalen PC ohne Internetverbindung verwenden – und in allen Größenordnungen zwischen diesen beiden Extremen.

Dabei achten wir stets auf die Optimierung von Benutzererlebnis und Leistung. Möglich wird das durch ein Konzept, das unterschiedliche Speichermechanismen und Vorgehensweisen in der Software unterstützt: dateibasiertes Arbeiten in der lokalen Desktop-Umgebung und serverbasiertes Arbeiten, bei dem mehrere Benutzer:innen gleichzeitig dieselbe Ressource gemeinsam verwenden.

Unsere dateibasierten TMs sind perfekt und extrem effizient für Einzelbenutzer:innen oder Teams von bis zu drei Personen. Ein serverbasiertes Produkt bietet optimale Effizienz für alle größeren Gruppen.

Unsere serverbasierten TMs können (in Trados Studio und Trados GroupShare) von Hunderten von Benutzer:innen gleichzeitig verwendet werden und sorgen durch den geregelten, zeitlich beschränkten Zugriff auf zentrale Translation Memorys für höhere Konsistenz der Übersetzungen. Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen in Echtzeit während der Übersetzung steigert die Wiederverwendung von Inhalten in einem Maße, das sich in reinen Desktop-Umgebungen nicht erreichen lässt.

Das Angebot sowohl von dateibasierten Translation Memorys mit erweiterten Produktivitätsfunktionen als auch von serverbasierter TM-Freigabe entspricht den verschiedenen Kundeninteraktionen. So unterstützen wir freiberufliche Übersetzer:innen ebenso wie Sprachdienstleister und Unternehmen, die große Volumen an Übersetzungsprojekten in immer kürzerer Zeit bewältigen müssen.


Die Entwicklung der upLIFT-TM-Technologie

Nach langen Jahren der stetigen Weiterentwicklung der Translation Memory-Technologie stellte die Einführung von Trados Studio 2017 einen Meilenstein dar: Mit der neuen upLIFT-Technologie wurde das „Arbeitstier“ CAT-Tool zur Intelligenzbestie.

Wir hatten bereits AutoSuggest-Wörterbücher und die Konkordanzsuche als Produktivitätsoptimierungen bei der Verwendung des TMs erwähnt. Ihr Nachteil besteht jedoch darin, dass zur Einrichtung und Verwendung manuelle Vorgänge erforderlich sind. Damit räumt die upLIFT-Technologie oder „Fragmenterkennung“ auf.

Fragmenterkennung beruht auf einem detailgenauen Alignment. Da ein TM Paare alignierter Segmente enthält, also Übersetzungseinheiten, sind Vorgänge auf Segmentebene relativ einfach, z. B. das Auffinden von Fuzzy-Matches für ein Segment und das Abrufen des gespeicherten Übersetzungsvorschlags. Vorgänge unterhalb der Segmentebene sind problematischer, beispielsweise, ein Match für nur einen Teil eines Übersetzungssegments zu finden (also einen Ausdruck oder einen Begriff innerhalb eines Satzes) und den entsprechenden Teil der Übersetzung abzurufen. Das änderte sich in Trados Studio 2017, als die Fragmenterkennung es möglich machte, ohne Eingreifen der Benutzer:innen automatisch diese Fragment-Matches aus ganzen Übersetzungseinheiten (ÜEs) anzuzeigen.

Seit der Einführung im Jahr 2016 wurde die Fragmenterkennung weiterentwickelt und verbessert. Der Ursprung eines Fragment-Matches wird nun in einer QuickInfo angezeigt, und Übersetzer:innen können Fuzzy-Matches, die Trados Studio im Rahmen der Fuzzy-Match-Optimierung automatisch angepasst hat, auch ablehnen.

Aber das ist noch lange nicht das Ende der Verbesserungen. Service Release 1 für Trados Studio 2017 enthielt eine neue Funktion namens LookAhead, die den Zugriff auf Suchergebnisse aus dem Translation Memory (TM) durch deren Abruf im Hintergrund beschleunigt. Wenn Sie zum nächsten Übersetzungssegment wechseln, führt Trados Studio automatisch eine Suche für die folgenden zwei Segmente durch, während Sie das aktuelle Segment bearbeiten. Der Vorteil? Nahezu sofortige Ergebnisse, sobald Sie zu einem neuen Segment wechseln, weil die TM-Suche bereits erfolgt ist und die Ergebnisse (sofern vorhanden) bereits automatisch „abgerufen“ wurden.


Einfacheres Hinzufügen neuer Inhalte

Die Verwaltung Ihrer Translation Memorys und deren Anwendung sind zweifelsohne wichtig, aber ebenso wichtig ist es, mühelos Inhalte aufnehmen zu können.

Sowohl Einsteiger:innen als auch erfahrene Anwender:innen von CAT-Tools können durch das Alignment von Übersetzungen schnell und effizient aus bestehenden Inhalten neue Translation Memorys erstellen. Mit der Veröffentlichung von Service Release 1 für Trados Studio 2019 sind Alignments jetzt noch einfacher geworden. Wir haben neue Möglichkeiten zum Auswählen und Verbinden von Segmenten beim Alignment eingeführt und die Funktionen „Teilen“, „Gehe zu“ und „Suchen“ erweitert.


Noch bessere Translation Memory-Funktionen

Wir haben die Genauigkeit von Kontext- und Fuzzy-Matches verbessert, damit Sie noch mehr Ergebnisse erhalten als bisher. Dabei wurde nicht nur die Art der Berechnung von Kontext-Matches verbessert, um genauere Matches zu erzielen, sondern auch die Stammformreduktion für westliche Sprachen. Dies führt zu besseren Fuzzy Matches.

Darüber hinaus haben wir Verbesserungen bei der Erkennung von japanischen Schriftzeichen mit halber und voller Breite vorgenommen, die beim DTP eine Rolle spielen. Das ist in diesem Markt ein Riesenfortschritt.

Dieses neueste Service Release zeigt, dass die Entwicklung des TMs andauert und dass weitere Optimierungen möglich sind. Neben bahnbrechenden Innovationen wie AutoSuggest, upLIFT Fragmenterkennung und Fuzzy-Match-Optimierung haben auch detaillierte Verbesserungen, z. B. Stammformreduktion/Fuzzy-Matches in Trados Studio 2019, dazu beigetragen, dass TMs heute erheblich besser ausgeschöpft werden können.

Das Translation Memory hat im Laufe der Jahre Riesenfortschritte gemacht. Laufende Innovationen und immer neue Funktionen machen es Ihnen leichter als je zuvor, Ihr TM zu verwenden und zu verwalten.

Camille Avila
AUTOR

Camille Avila

Product Marketing Manager
Camille Avila ist Senior Product Marketing Manager bei RWS und verfügt über acht Jahre Erfahrung in der Übersetzungsbranche. Derzeit betreut sie die Trados-Produktpalette. Camille konzentriert sich auf die Lokalisierung für die Unternehmensmärkte und unterstützt Unternehmen dabei, effektiv mit ihren Kund:innen zu kommunizieren, indem sie sicherstellt, dass ihre Inhalte verstanden werden.
Alle von Camille Avila