
Übersetzungen kosten Geld, und deshalb beauftragt das niemand wirklich freiwillig. Aber eigentlich ist es ganz einfach: Sie werden entweder gebraucht, wenn ein Unternehmen exportiert und auf ferne oder nähere Märkte schielt oder allein schon dadurch, dass eine Firma international aufgestellt ist und so ein babylonisch getriggerter Kommunikationsbedarf aufpoppt.
Für die etablierten Player ist dies eine Binsenweisheit und gewohnte Selbstverständlichkeit. Für frische, schnell wachsende Starter dagegen oft eine Überraschung, deren Tragweite man unterschätzt oder nicht einordnen kann. Denn eine der Hauptfragen lautet: Geht das nicht alles automatisch? Oder leicht abgewandelt – geht das alles automatisch nicht?
Ich stelle mir vor, sich vorzustellen
Akteure im Übersetzungsgeschehen, die dort schon lange unterwegs sind, fragen sich ab und an – wann wird Maschinelle Übersetzung endlich in der Lage sein, meinen Anforderungen zu entsprechen? Neulinge, die ganz plötzlich Übersetzungsbedarf verspüren, formulieren vielleicht eher – die Maschinen gibt’s doch, warum klappt das nicht? Ach, da gibt’s auch andere Systeme?
Solange Sprache überraschend daherkommt, sie uns in ihrer Bedeutungsvielfalt ins Grübeln bringt – solange immer wieder neue Rechtschreibreförmchen lange gelebte, eindeutige Regeln aufheben und bis dato unbekannte Missverständnisse produzieren (wer strikt wie Schiller schreibt, kann heute in Literatur unter Umständen keine Eins mehr bekommen) – solange ist es schwer vorstellbar, dass die Maschinen allein das da mit der Sprache alles schon selber regeln können und der Mensch nicht wenigstens als qualitätssichernde Instanz gebraucht wird.
Die Frage nach dem WANN und der MASCHINE kann man schnell beantworten: Es gibt viele, meist neue Anwendungsfälle, in denen die Erwartungen schon heute bedient werden können, aber in anderen Szenarien – meist den klassischen, in denen es um Qualitätssicherung im relativ absoluten Sinne, vielleicht sogar Haftungsfragen geht – kommt man am Menschen nicht vorbei.
Hier kann uns die Translation Memory Technologie viel weiter helfen, als eine linguistische Vollautomatik.
Schlau und erfolglos – dumm und effektiv
Wenn man kurz zurückschaut in die Zeit der Anfänge, als Technologie und Sprache einander gesucht und sogar ziemlich schnell gefunden haben, dann landet man in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Hier gab es recht erfolgsverheißende Ansätze, Sprache automatisch zu verarbeiten – maschinell zu übersetzen. Sehr bemerkenswerte Resultate zuweilen. Aber immer wieder auch den Punkt, an dem man konstatieren musste – das war jetzt doch nix. Und diese Grenzen, die wir eingangs erwähnt haben, an denen es schwierig wird und klappert, sind erstens in jeder Sprache andere (und in jeder Sprachrichtung verdoppelt sich eine solche Problematik natürlich mindestens). Zweitens wirken sie schier unüberwindbar.
Man kann im Bereich Übersetzung und Maschine mit geringem oder großem Aufwand für fast alles irgendwie eine Lösung finden (und dabei die nächsten Probleme fabrizieren). Aber ein System, das in jeder Konstellation die richtige Entscheidung treffen soll, bräuchte zum Beispiel einen Ironiemodus, um Umstände oder Kontexte einsortieren zu können. Und unter Humor versteht jeder was anderes. Wir schreiben hier also in gewisser Weise über ein Ding der Unmöglichkeit.
Genau eine solche potenzielle Unfähigkeit hat man den linguistisch basierten – also aus dieser Warte erstmal klugen – Systemen in den folgenden Sechziger Jahren attestiert. Die Geldhähne krähten nicht mehr, und dieser technologische Entwicklungsstrang Maschineller Übersetzung war lange beerdigt.
Dafür gab‘s Mitte der 80er Jahre was Neues. Da sagte sich ein Pragmatiker namens Jochen Hummel: Wenn die Automatik nicht so ohne weiteres klappt, dann nehme ich eben Bausteine, von denen ich weiß, dass sie gut sind und stimmen und stelle sie wieder zur Verfügung – herausgeholt aus einem Übersetzungsspeicher. Der dabei geschaffene Begriff Translation Memory Technologie ist eine schöne sprachliche Brücke zwischen dem Englischen und dem Deutschen: Übersetzungsspeicher erinnern sich. Dabei können sie per se nicht semantisch bewerten, ob korrekt ist, was sie präsentieren. Aus linguistischer Sicht sind sie tatsächlich nicht allzu schlau. Aber sie können bezeugen und bereitstellen, was schon einmal für gut befunden worden ist, vielleicht unter ganz konkreten, bestimmten Umständen.
Wenn man in einem solchen Szenario die Prozesse und Datenströme im Griff hat, beherrscht man die Qualität. Deshalb sind diese aus Linguisten-Tekkie-Sicht dummen Systeme so ungemein erfolgreich: nämlich ökonomisch erfolgreich. Es sind Effektivitätsbestien. Wo im industriellen Kontext Produkte in Produktfamilien eng verwandt sind, werden es gleichfalls die entsprechenden Dokumentationen sein. Wiederverwendungsraten von 80% sind ganz normal und solche von 95% keine Seltenheit. Von Matches über verschiedene Dokumentarten hinweg ganz zu schweigen. All das kann man sehr gut in gespartem Geld ausdrücken.
Ende der letzten 80er Jahre sind auch andere Produkte mit ähnlichen Strategien entstanden. Aber genau der Herr Hummel – Mr Trados – hat es geschafft, die potenziellen Anwender solcher Software mit genialen Ansätzen zu überzeugen – indem er zum Beispiel vor einer Kundenpräsentation in einer Nacht-und-Nebelaktion jene Analysematrix mit ihren verschiedenen Matchklassen erfunden hat, die im Grundsatz bis heute als Branchenstandard Verwendung findet.
Das Effizienzmonster
Des Meisters ungebremste Innovationswut hält auch ohne ihn in einer bemerkenswerten Kontinuität bis heute an und führt dazu, dass man sogar die Marke nennt, wenn man ganz generell über die Technologie spricht, in Analogie zur berühmten Nusscreme:
Fast alle wesentlichen Neuerungen im Bereich der Übersetzungstechnologie kommen aus der Trados-Schmiede – darunter die Mutter aller Terminologiedatenbanken mit all ihren Konzepten und der unendlich flexiblen Struktur, Methoden wie Retrofit als Ansatz für generische Alignments, Matching-Algorithmen auf der Subsegmentebene, letztlich unbegrenzte Konfigurationsmöglichkeiten für Dateifilter und Qualitätssicherungsmaßnahmen…
Eine solch dominierende Präsenz in einem vielfach von Klonmentalität in allen denkbaren Spielarten und Preisdumping gezeichneten Markt über einen so langen Zeitraum ist recht ungewöhnlich. Vielleicht liegt das Geheimnis im Immer einen Schritt voraus und dabei transparent.
Die Architektur der Trados-Komponenten ist dokumentiert und zugänglich, und damit hat man zwar die wettbewerbenden Nachahmer im Fahrwasser oder Lizenzsurfer, die unter einer selbstlackierten Motorhaube in Wahrheit den Hummelmotor bzw. die Brockmaschine (treue Tradoskunden wissen, wen wir hier meinen) betreiben. Eine solche Offenheit lockt aber auch eine Vielzahl von Enthusiasten an, die ihrerseits die Einstiegs- und Andockmöglichkeiten nutzen, um eigene Ideen zu realisieren oder im RWS-App-Store technologische Vorschläge präsentieren, die die Produktfamilie zusätzlich bereichern und später vielleicht einmal direkt ins Mutterschiff aufgenommen werden.
Auf diese Weise ist im leistungsstarken Ökosystem rund um das produktivste Übersetzungswerk mit der effizientesten Wiederverwendungslogik eine einzigartige Community entstanden, die sich selbst als einen wesentlichen Baustein im Trados-Gefüge versteht – zu Recht.
Wer braucht was?
In diesem Artikel…
… ging es ganz grundlegend um Sprachtechnologie. Wie einfach das aussieht. Wie komplex es unter der Motorhaube zugeht. Welchen Wert hier Erfahrung und Tradition haben.
Wir werden das fortführen und uns dabei vergnügt auf einzelne Aspekte stürzen, die wir weiter oben schon angedeutet haben. Zum Beispiel – wie organisiere ich die Mitwisserschaft zwischen den Prozessbeteiligten, damit die multilinguale Kommunikation im Unternehmen funktioniert? In welchen Fällen kann ich mich in den Übersetzungsprozessen vielleicht doch ausschließlich auf die Maschine verlassen, weil ich das aus Zeit- und oder Kostengründen eigentlich auch muss? Wie organisiere ich meine interne Übersetzungslandschaft, ohne mich finanziell und organisatorisch zu übernehmen – aber auch ohne dass ich mir die Türen in eine skalierte Zukunft verbaue?
Es würde uns sehr freuen, wenn wir uns hier wiederlesen könnten. Kommen Sie gut durch diese Zeit!